Der Präsident der Vereinigten Staaten
Franklin Delano Roosevelt hatte in seiner außergewöhnlich langen
Regierungszeit von März 1933 bis zum April 1945 eine Reihe
bedeutender Leistungen zu verzeichnen. Er führte einen neuen
Sozialvertrag (the New Deal) ein, der dem amerikanischen System
der Sozialhilfe zugrunde lag. Das half den Vereinigten Staaten
über die wirtschaftliche Depression hinwegzukommen, was dazu
führte, dass „die Vereinigten Staaten zur ökonomisch stärksten
Industriemacht aufstiegen".
Präsident Roosevelt unterstrich in seiner
Rede vom Januar 1941 in aller Deutlichkeit die vier
grundlegenden Freiheiten (the Four Freedoms), die jedem Menschen
zustünden. Im August 1941 unterschrieben Roosevelt und Churchill
die so genannte Atlantische Charta und bekräftigten damit das
Gewicht dieser Erklärung. Es entstand die moralische
Verpflichtung, ein Waffenbündnis zur Verteidigung der Freiheit
zu gründen, um den Völkern der Welt damit die Hoffnung auf eine
gerechte Gestaltung der internationalen Beziehungen nach der
Beendigung aller Kriegshandlungen zu geben.
In der ersten Phase des Zweiten Weltkrieges,
als Amerika noch neutral war, schuf Roosevelt dank des
Lend-Lease Aktes eine Hilfe für Großbritannien und organisierte
auch das „Arsenal für die Demokratie".
Im Laufe der folgenden Kriegsjahre erhielten
die Alliierten eine regelmäßige Unterstützung in Form von
Lebensmitteln, Rüstungsgütern und schließlich auch durch das
Aufnehmen von Kriegshandlungen durch die amerikanische Armee im
Dezember 1941.
Eine derartige Unterstützung erwies sich
nicht nur als notwendig, sondern auch als unerläßlich, damit die
Alliierten Erfolge und Siege erringen konnten.
Es gibt keinen Politiker, der nicht Fehler
machte. Roosevelt stellte diesbezüglich keine Ausnahme dar. Als
die Sowjetunion durch den Angriff Hitlers im Juni 1941 zum Lager
der Alliierten hinzustieß, nahm Roosevelt sie enthusiastisch
auf. Die Einschätzung Stalins als Menschen, Politiker und Führer
seines Volkes durch den amerikanischen Präsidenten war für die
Vertreter der übrigen Alliierten eine Überraschung, wenn nicht
gar ein Schock.
Nach dem Eintritt der Vereinigten Staaten in
den Krieg war das Ansehen Roosevelts erheblich gestiegen. Er
wurde zum hauptsächlichen Initiator der Politik und Strategie
der Alliierten; er galt als einer der bedeutendsten
Staatsmänner.
Bald danach begannen die Großen Drei, also
Roosevelt, Stalin und Churchill einen entscheidenden Einfluss
auf den weiteren Verlauf der Kriegshandlungen und auf die
Planung des geopolitischen Systems der Welt auszuüben.
Historiker der Gegenwart sind in ihrer
subjektiven Einschätzung der Meinung, dass Roosevelt Stalin für
einen grundsätzlich anständigen Menschen und Führer seines
Volkes hielt. Er glaubte, dass das sowjetische System, das sich
auf den Sozialismus stützte, unter seiner Führung in eine
Demokratie umgestaltet werden kann. Er glaubte, dass er durch
seinen Einfluss Stalin lenken könne, welcher seiner Meinung nach
keine imperialistischen Ambitionen hatte. Die Vision Roosevelts
lag in der Zusammenarbeit mit Stalin, die zum Sieg der
Vereinigten Staaten und der Sowjetunion über den gemeinsamen
Feind führen sollte; er war überzeugt, dass sie nach dem Krieg
gemeinsam über die politische und wirtschaftliche Struktur der
freien Welt entscheiden könnten.
Roosevelt war darauf vorbereitet, Churchill
und das gesamte Britische Imperium (wie auch Frankreich) von
dieser Zusammenarbeit auszuschließen. Er glaubte, dass man ihnen
nicht trauen könne, weil sie demokratisch gesinnt waren und
künftige Friedensverträge gerecht gestalten würden. Während
aller Verhandlungen der Großen Drei nahm Roosevelt immer Partei
für Stalin.
In Roosevelts Regierung erklärten sich nur
wenige Mitglieder mit dem Inkrafttreten des sonderbaren
Verhältnisses zu Stalin einverstanden. Die wichtigsten Anhänger
von Roosevelts Idee waren sein persönlicher Vertreter Harry
Hopkins und der ehemalige (im Jahr 1937) Botschafter in Moskau
Joseph Davies. Jegliche Ratschläge und Warnungen der in der
internationalen Politik Kundigen, wie William Bulliet, Loy
Henderson, Charles E. „Chip" Bohlen, Averell Harriman und
General John Deane wurden nicht zur Kenntnis genommen. Es waren
diplomatisch äußerst bewährte Personen; sie hatten einen Dienst
in den Auslandsvertretungen in Moskau hinter sich.
Bis zum Ende seines Lebens versuchte
Roosevelt, das Vertrauen und die Freundschaft Stalins zu
gewinnen. Dieser hingegen traute dem Präsidenten nicht, und
sowjetische Spitzel hatten es leicht, Staatsgeheimnisse Amerikas
zu stehlen. Roosevelt war jederzeit bereit, Stalin zur Hand zu
gehen, seine Bitten und Forderungen zu erfüllen, und dabei
beachtete er die Ratschläge oder Einschätzungen Churchills
nicht.
Die wichtigsten Zugeständnisse Roosevelts an
Stalin waren:
- Die Verstärkung der Unterstützung Russlands während des
Zweiten Weltkrieges trotz der großen Verluste der alliierten
Flotte im Nördlichen Eismeer. Einige dieser Sendungen
dienten nicht kriegerischen Zielen, sondern dem Ausbau der
sowjetischen Industrie und der sowjetischen
Vormachtstellung.
- Die Unterstützung der Forderungen Stalins nach der
Schaffung einer sogenannten Zweiten Front, was vom
militärischen Gesichtspunkt aus übereilt und undurchführbar
war.
- Das Führwahrhalten der falschen Informationen Stalins,
dass der Warschauer Aufstand keiner Unterstützung bedürfe.
- Das Einverständnis mit der Setzen der westlichen Grenzen
der Sowjetunion nach dem Kriege auf der Grundlage der
Festlegungen des Paktes Ribbentrop -Molotow von 1939.
- Die Schaffung eines Freiraumes für Stalins Pläne, eine
beherrschende Stellung über die baltischen und
osteuropäischen Staaten (einschließlich Polens) sowie auch
über einige Länder des Balkans einzunehmen. Diese
Angelegenheiten wurden während der „tete-a-tete"-Treffen
zwischen Stalin und Roosevelt in Teheran und Jalta
abschließend beschlossen.
- Die Anerkennung der Roten Armee als Eroberer Berlins,
was für die Sowjets ein gewaltiger Propagandavorteil war,
der auch umfassend verbreitet wurde. Zur selben Zeit wurde
die amerikanische Armee in die Bayrischen Alpen geschickt,
um dort eine fiktive Nazihochburg zu erobern.
Stalin nahm auf die Meinung der Alliierten
keine Rücksicht und führte konsequent seine eigene Politik
durch. Die Haltung Roosevelts erleichterte ihm dies sehr, sodass
er in seinem Tun freie Hand hatte. Das hatte Konsequenzen auf
das Nachkriegslos und das Schicksal vieler osteuropäischer
Staaten. Das Schicksal Polens war besonders tragisch.
August 1944 - Warschauer Aufstand.
Nennenswerte westliche Unterstützung für den Aufstand kam nicht,
da Stalin, der diesem gegenüber negativ gesinnt war und
Roosevelt benachrichtigt hatte, dass die Heimatarmee (AK)
Warschau zu Beginn des Septembers 1944 verlassen hätte.
Nach dem Ende der Kriegshandlungen - Polen
findet sich, wie auch andere Staaten hinter dem „Eisernen
Vorhang" wieder und muss fünfundvierzig Jahre unter Knechtung
des Volkes, ohne Menschenrechte in einer Atmosphäre von Lüge und
in tiefer Armut ausharren.
Stalins Herrschaft in der Volksrepublik
Polen war von Brutalität geprägt. Nach Schätzungen kamen im
Zeitraum von 1944 bis 1956 ca. eine Viertelmillion polnischer
Staatsbürger bei Exekutionen ums Leben, die entweder durch das
NKWD, oder ihnen untergeordneten Einheiten der polnischen
Staatssicherheit durchgeführt wurden. Es kamen um: die
Intelligenz, herausragende Persönlichkeiten der polnischen
Kultur, die Mitglieder politischer Parteien, sogar Menschen, die
Kontakte oder Sympathien mit dem Westen pflegten. Unter den
Ermordeten befanden sich etwa fünfzigtausend ehemalige Soldaten
der Heimatarmee.
Außerdem wurden einige Tausend polnische
Bürger in sowjetische „Gulags" deportiert, wo sie den Hungertod
erlitten. Die Überlebenden kehrten oft in sehr schlechter
physischer und psychischer Verfassung ins Land zurück.
Es sollte hier die Frage gestellt werden:
Warum versuchte Roosevelt derart hartnäckig Stalin zu gewinnen?
Warum sah er nicht, wer Stalin wirklich war und welchen
Charakter sein Regime in Wirklichkeit trug? Denn die Mitglieder
seines Regierungsstabes haben des öfteren darüber gesprochen und
ihn gewarnt.
Eine Antwort darauf könnte die Notwendigkeit
der Unterstützung seitens hunderter Divisionen der Roten Armee
im Kampf gegen Nazideutschland sein. Es könnte auch die Hoffnung
auf einen eventuellen Einsatz der Roten Armee im Kampf gegen
Japan gewesen sein.
Eine äußerst wichtige Frage war für
Roosevelt auch die Planung der Struktur der Welt nach dem Krieg.
Professor Robert Nisbet suggeriert in seinem Buch über Roosevelt
und Stalin (1), dass der Präsident immer unter dem Einfluss der
politischen Prinzipien seines Mentors Woodrow Wilson stand und
er sich deshalb in seinen Entscheidungen immer als
Anti-Imperialist zeigte. Er war bereit, seine wahren Verbündeten
- Großbritannien und Frankreich zu verlassen. Im Gegenzug
versuchte er den Anführer des sozialistisch-kommunistischen
Systems zu gewinnen, der eigentlich in Opposition zum
Imperialismus stehen müsste.
Wenn dieses der wahre Grund der Politik
Roosevelts gewesen war, so ist es eine Ironie des Schicksals,
dass Stalin, der Diktator, Tyrann, Völkermörder und Vertreter
eines totalitären Systems, gleichzeitig einer der größten
Imperialisten der damaligen Zeit war.
Bibliographie:
- Nisbet, Robert, Roosevelt and Stalin - The Failed
Courtship, Simon Schuster, London 1989
- Lucas, Richard C., The Strange Allies. The United State
and Poland, 1941-1945, The University of Tennessee Press,
1978
- Kimball, Warren F., The Juggler: Franklin Delano
Roosevelt as Wartime Statesman, Princeton, NJ 1991
Andrzej Slawinski, London 2005